Umweltschützer warnen: Deutlich weniger Schmetterlinge und Feldvögel in DeutschlandDienstag, 22.08.2017 09:46 Uhr Spiegelartikel
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Abstimmung in der EU: Merkel macht den Weg für Gen-Mais frei
Die Deutschen sind gegen Gen-Mais, doch die Pflanze könnte
bald auf deutschen Feldern wachsen. Denn die EU stoppt die Zulassung
nicht. Schuld ist die uneinige Koalition. Und Kanzlerin Merkel, die
zu den Profiteuren hält. Düsseldorf„Wir wollen den Anbau dieser neuen Sorte Pioneer
1507 in Deutschland nicht haben.“ Die Aussage ist klar und
eindeutig. Sie kommt von Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter
Friedrich (CSU), kurz vor der Abstimmung der EU-Landwirtschaftsminister
am Dienstag über die unionsweite Zulassung einer neuen Gen-Mais-Sorte.
Diese klaren Worte können eigentlich nur eines bedeuten: Friedrich
wird mit „Nein“ stimmen. Doch eben nur eigentlich. Denn
Deutschland hat sich enthalten. Schuld daran ist die Bundesregierung, die sich uneinig ist. Friedrich als CSUler ist traditionell gegen die Zulassung, genauso wie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Dafür ist jedoch Johanna Wanka (CSU) als Forschungsministerin. Und deshalb hatte Merkel schon zuvor angekündigt, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Doch mit dieser Enthaltung macht Merkel den Weg frei für den Gen-Anbau. Denn die Entscheidung wird mit einer qualifizierten Mehrheit, einer zwei Drittel-Mehrheit getroffen. (18 Länder von 28 haben bereits gegen die Zulassung dieses Genmaises gestimmt. Hätte Deutschland sich nicht der Stimme enthalten, wäre der Genmais in der EU also verhindert worden! Bei 18 Ablehnungen und einer Enthaltung (DE) haben nun faktisch also 9 Länder, dafür gesorgt, das der Genmais in der EU zugelassen werden wird. AP)„Eine Enthaltung nützt gar nichts“, sagt Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Im Gegenteil: Sie ermöglicht die Zulassung.“ Doch eine qualifizierten Mehrheit wurde am Dienstag nicht erreicht, nun wird die Entscheidung weitergereicht an den EU-Kommission. Der zuständige EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg gilt als Befürworter. Nun versucht Friedrich, sich aus der unangenehmen Lage herauszumanövrieren: Er schlägt vor, dass jedes Land eigenständig entscheiden könne, ob es gentechnisch veränderte Pflanzen auf seinen Feldern erlaube. Ein Vorschlag der EU-Kommission für eine solche „Ausstiegsklausel“ liege bereits vor, sagte Friedrich. Doch Gentechnik-Expertin Moldenhauer hält das für „Augenwischerei“. Denn Merkel werde einen „Flickenteppich Europa“ in Sachen Gen-Anbau nicht zuzulassen, damit überschreite Friedrich damit seine Kompetenzen. Doch vor allem glaubt die Expertin, dass dieser Vorschlag „ein vergiftetes Geschenk“ sei – wenigstens auf nationaler Ebene. Denn erst einmal würden die Zulassungsanträge auf EU-Ebene schneller durchgewunken. Vor der Zulassung käme es auf einen „Deal mit den Konzernen an“, einzelne Mitgliedstaaten würden mit einem Konzern aushandeln, dass eine Gentech-Pflanze auf ihrem Territorium nicht angebaut werden dürfe, dafür müssten sie für die Zulassung stimmen. Nach der Zulassung könnten EU-Länder ebenfalls ein Verbot erlassen, etwa aus sozioökonomischen Gründen. Was das genau bedeuten würde, sei nicht geklärt. Jedoch sei dieser Verbotsgrund vermutlich nicht „gerichtsfest“, denn es könnte beispielsweise ein Bauer darauf klagen, Gen-Mais anzubauen – weil durch ein Verbot seine freie Berufswahl gefährdet sei.
Doch Friedrich lässt sich einen weiteren Ausweg offen, vielleicht auch, um sein Gesicht in vor den bayrischen Wählern zu wahren: Die Bundesländer könnten selbst entscheiden, wie sie verfahren wollen. Denn tatsächlich sind laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur die meisten Länder gegen die Zulassung. Die Flächenländer, in denen es größere Agrarflächen gibt, sprechen sich nahezu einhellig dagegen aus. Prinzipiell offener äußerten sich nur Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die neue schwarz-grüne Regierung in Hessen will die Landwirtschaft generell gentechnikfrei lassen. In der Frage einer Ausstiegsklausel spreche man sich mit den anderen Ländern ab. Das Saarland, das dem Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen in Deutschland“ angehört, lehnt den Mais 1507 ebenfalls ab. Eine bundesweite Entscheidung sei besser als eine Ausstiegsklausel, hieß es im Umweltministerium. Die Grünen-geführten Ressorts von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen forderten ein nationales Verbot für gentechnisch veränderte Sorten. Doch das würde wieder eine Flicken-Teppich-Lösung bedeuten – und auch dafür sind nicht alle Länder. Und erst einmal entscheidet nun Brüssel. Bei der Abstimmung geht es um die Maissorte 1507 der Firma Pioneer Dupont. Die Pflanze wurde im Labor so verändert, dass sie gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat resistent sein soll. Außerdem produziert der Mais ein Insektengift, um sich vor dem Maiszünsler zu schützen. Mit dem Schädling haben auch deutsche Bauern zu kämpfen. Kritiker warnen jedoch, dass die Auswirkungen der Pflanze auf andere Insekten und die Umwelt nicht ausreichend geprüft wurden. Befürworter von Gen-Mais argumentieren, dass gentechnisch veränderte Pflanzen dazu beitragen können, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen – etwa durch besondere Widerstandsfähigkeit gegen Klimaveränderungen in ärmeren Ländern. Auch als Energiequelle könnten Genpflanzen dienen. Doch die Mehrheit der Deutschen lässt solche Argumente nicht gelten: Laut einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstitutes Forsa (2013) sind 73 Prozent der Westdeutschen und 63 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, dass man Gentechnik in der Landwirtschaft verbieten sollte. Der Grund: Die Risiken seien unkalkulierbar. Weil die Deutschen Gentechnik so eindeutig ablehnen, ist dies auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dort heißt es: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“ Warum nur dann dieses „Jein“ bei der Abstimmung? „Es ist nicht nur der Konzern Pioneer, der von der Zustimmung profitiert“, sagt Expertin Moldenhauer. „Es sind vor allem die beiden deutschen Gentechnik-Unternehmen Bayer und BASF, die schon lange auf die Gentech- Freundlichkeit Deutschlands hinarbeiten.“ Sie vermutet, dass der Einfluss der Lobby-Gruppen so stark ist, dass Angela Merkel denen die Tür aufhalten wolle. „So profitieren wieder einmal die üblichen Verdächtigen.“ |
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